SPD 60 plus

Baden-Württemberg

20 Jahre SPD 60 plus in Baden-Württemberg

Veröffentlicht am 07.06.2011 in Veranstaltungen

Nürtigen. Zwanzig Jahre gibt es die SPD-Arbeitsgemein¬schaft 60plus – die größte Arbeitsgemeinschaft der SPD Baden-Württemberg feierte ihr Jubiläum in Nürtingen. Und freute sich über die Teilnahme von zwei Mitgliedern der ersten Stunde, Alfred und Gotlind Braun.

Der Landesvorstand der Arbeitsgemeinschaft SPD 60 plus besuchte in seiner Reihe 60 PLUS AUF TOUREN diesmal Nürtingen. Als Tour d'Horizon stellte OB Otmar Heirich in seiner Begrüßung Nürtingen vor – wichtigstes Ziel sei es, Nürtingen fit zu machen für kommende Generationen.
Anschließend stellte Natalie Küster, Gerontologien und Leiterin des Pflegestützpunkts der Stadt Nürtingen die Arbeit des dieser wichtigen Schaltstelle für die Organisation der Hilfe für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen vor. Dabei war den Zuhörern klar, dass die Pflegestützpunkte nur punktuell helfen können – in Nürtingen direkt, im Umland indirekt über die Rathäuser als Anlaufstelle. Dabei bilde die Beratung älterer Mitbürger, aber auch der Familien der Arbeitsschwerpunkt. Das Aufzeigen von Möglichkeiten: welche Hilfe denkbar sei, was wäre notwendig wenn der Pflegefall eintrete – und er komme fast immer unverhofft, plötzlich.
Nach der Mittagspause wurde in Roßdorf das Roßdorf-Lädle besucht: Eine ehrenamtliche Initiative, gegründet von Monika Lauer, die dem Umstand, dass in der Siedung keine Einkaufsmöglichkeit mehr bestand, abgeholfen hat. Ein kleiner Supermarkt, eine Genossenschaft, mit einem Markt¬leiter und einigen ehrenamtlichen Helfern haben im Stadt¬teil eine Einkaufsmöglichkeit geschaffen. Kurze Wege, behindertengerechter Zugang, moderate Preise, Treffpunkt. Die 60plus Genossinnen und Genossen des Landesvor¬standes haben sich natürlich solidarisch zur Stärkung des Umsatzes mit einigen Lebensmitteln versorgt.
Anschließend gab es im Bürgertreff eine Podiumsdiskussion zum Thema „Den demographischen Wandels in den Kom-munen positiv gestalten!“ mit Vertretern von Kommunen, Initiativen und Genossenschaften.
Der Landesvorsitzende Lothar Binding, MdB, erinnerte in seiner Eröffnung an die Gründung des ersten Landesver¬bandes der „Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Senioren“ (ASS) vor zwanzig Jahren in Stuttgart, dem dann 1994 der Bundesverband dieser größten Arbeitsgemein¬schaft in der SPD unter dem Namen „SPD 60 plus“ folgte.
Passend zum 20 jährigen Jubiläum sei hier sein kleiner historischer Exkurs zusammen gefasst: Schon die Vorbereitungs-Veranstaltung, eine Landesdelegierten-konferenz der SPD Baden-Württemberg 1990 in Karlsruhe, stand unter dem Motto „Solidarität der Generationen“, das bis heute seine Aktualität behalten hat.
Gründungsvorsitzender war der ehemalige Landes-Innenminister Prof. Walter Krause, der im September 1988 mit einer viel beachteten Rede vor der Vereinigung ehe¬maliger Mitgliedern des Landtags von Baden-Württemberg unter der Überschrift „ Die alternde Gesellschaft“ das Thema demo¬gra-phischer Wandel auf die politische Tagesordnung von Bund, Ländern und Kommunen gesetzt hatte. Seine Stell-vertreterinnen im Grün¬dungsvorstand waren Dr. Konstanze Wegner, MdB aus Mannheim und Gotlind Braun M.A. aus Freudenstadt, die dann drei Jahre später auch dem ersten Bundesvorstand unter dem Vorsitz von Hans-Ulrich Klose, MdB angehörte.
Zurück zur Gegenwart begrüßte der Landesvorsitzende von 60plus prominente Teilnehmer zur Podiumsdiskussion: Allen voran die neue Ministerin für Arbeit und Soziales Kathrin Altpeter MdL. Alle waren sehr stolz, dass sich Ministerin Altpeter für diese Diskussion mit der AG 60plus Zeit genommen hat. Als weitere Experten konnten Dr. Walter Häcker – er ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der Sozialgenossenschaft ARBEIT ZUERST eG und Beitrat des myself e.V. zur gegenseitigen Förderung am Arbeitsmarkt – und Michael Lucke, Finanz- und Sozialbürgermeister von Tübingen begrüßt werden.
Als Expertinnen nahmen Monika Lauer, Bürgermentorin in Nürtingen und wie sich zeigen sollte, erfahrene Diskussions-leiterin und Marga Elser, stellvertretende Landesvorsit¬zen¬de der SPD AG 60 plus, an der Diskussion teil.
Die Diskussion umfasste ein breites Themenspektrum: Beeindruckend war die Darstellung der Vielzahl von Möglich¬keiten des Engagements Älterer – oft in einer win-win Situa¬tion durch die Hilfe für Ältere einerseits und Aktivierung ihres Potentials für nicht nur Jüngere, andererseits.

Hier sei Sylvia Gierlichs aus ihrem Artikel in der Nürtinger Zeitung vom 24. Mai 2011 zitiert. Eine gute Zusammen-fassung der Diskussion:
„NÜRTINGEN. Seit zehn Jahren begleitet die neue baden-württembergische Arbeitsministerin Katrin Altpeter die SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus. Daher war es für sie auch selbstverständlich, den Termin in Nürtingen wahrzunehmen. „Demografischer Wandel wird in den Kommunen deutlicher als in der Stadt“, war ihr Eingangssatz in der Vorstellungs-runde. Ein barrierefreies Wohnumfeld, Mobilität, Nahver-sorgung mit Lebensmitteln und auch ein Sport- und Bewe-gungsangebot für ältere Menschen statt eines Kunstrasen-platzes für eine rückläufige Anzahl von Schülern: für Katrin Altpeter sind dies Faktoren, über die man nachdenken sollte, wenn man die Kommunen seniorengerechter gestalten will.
Dr. Walter Häcker aus Winterbach im Remstal liegen die Arbeitnehmer am Herzen. Engagiert im Verein Myself und in der Genossenschaft „Arbeit zuerst“ plädiert er für neue, solidarischere Wege bei der Vermittlung von Arbeit. Der Tübinger Finanzbürgermeister Michael Lucke plädierte hingegen für eine menschenfreundliche Stadtplanung, kurze Wege und eine Nutzungsmischung im Quartier. Um auch ältere Migranten in diese Stadtplanung miteinzubeziehen, schickte er Bürgermentoren zu den Migranten nach Hause und fand die Ergebnisse dieser Befragung hochinteressant. Statt eines seniorengerechten Sportplatzes wollte er lieber einen Mehr-Generationen-Sportplatz haben.
Die stellvertretende Landesvorsitzende der SPD 60 plus, Marga Elser, war beeindruckt von dem genossenschaftlich geführten Laden im Nürtinger Stadtteil Roßdorf, den die Gruppe am Vormittag besichtigt hatte. „Ich weiß, dass es immer mehr dieser Initiativen gibt“, sagte sie. Städte müssten wieder lebenswerter gestaltet und Wohnungen sollten von vornherein altengerecht gebaut werden, damit die Bewohner so lange wie möglich in ihren Wohnungen bleiben könnten, lautete ihre Forderung.
Ein Bürger aus Wendlingen machte sich Gedanken darüber, wie kulturelles Leben in den Gemeinden auch für ältere Menschen organisiert werden könnte. „Es muss aus einer Gruppe Bürger heraus selbst organisiert werden“, antwortete Michael Lucke. Hier müssten sich Interessengruppen zu¬sam-menfinden, die Fahrten zu kulturellen Veranstal¬tungen organisieren. Lucke hält dies für einen ganz wichtigen Aspekt, denn nur so könne man gegen Vereinsamung im Alter ankämpfen.
Weg vom Individualismus, hin zu mehr Solidarität
„Bei den Menschen muss allerdings auch der Wille zur Ver-änderung vorhanden sein“, ergänzte Katrin Altpeter. Für sie geht es dabei vor allem um die Frage, wie sich eine älter werdende Gesellschaft weg vom Individualismus zu mehr Solidarität entwickeln kann. Diese Entwicklung könne den Menschen jedoch nicht übergestülpt werden, sie müsse aus der Mitte der Gesellschaft hervorgehen. Ein Teilnehmer aus Riedlingen fügte hinzu, dass jedoch die Bürger entsprechende Rahmenbedingungen bräuchten, um sich solidarisch zu organisieren.
Die Arbeitsministerin trat, wie Michael Lucke, für Mehr-Generationen-Quartiere ein, da dort Menschen wirklich miteinander leben und es nicht wie im Mehr-Generationen-Haus nur bei einer Begegnungsstätte bleibe. „In einem Quartier sind Jung und Alt füreinander ein Gewinn und jeder profitiert von der Infrastruktur, der Barrierefreiheit, dem ÖPNV, der Nahversorgung.“
Eine Teilnehmerin aus Bretten wollte wissen, ob es schon Erfahrungswerte für ein solches Zusammenleben gibt, da sie oft höre, dass dies nicht funktioniere. „Es funktioniert nicht, wenn es ungeplant gemacht wird oder in einen bestehenden Organismus hineingepflanzt wird. Die Menschen müssen ein solches Quartier von Anfang an mitgestalten“, sagte Lucke. Junge Familien mit Kindern und über 50-Jährige könnten sich zu Baugemeinschaften zusammenschließen, um ein Mehr-Generationen-Quartier gemeinsam zu planen. „Und da gibt es auch mal Konflikte. Das ist nicht alles heile Welt“, machte Lucke deutlich. In solchen Quartieren pro¬fitierten die Menschen jedoch auch gegenseitig, es gebe Lernpatenschaften, ältere Menschen fungierten als Kinder- und Jugendbetreuer, junge Menschen hälfen älteren beim Einkaufen, der Kehrwoche, dem Wohnungsputz. Der Effekt sei, dass ältere Menschen deutlich später ins Pflegeheim gingen. Mit dem „Französischen Viertel“ in Tübingen hat Lucke ein solches Quartier vorzuweisen und er weist darauf hin, dass es auch an der Stadtplanung liege, die entsprech¬enden Rahmenbedingungen für Mehr-Generationen-Quar¬tiere zu schaffen.
Nürtingens Bürgermeisterin Claudia Grau, die die Veran-staltung mitverfolgte, ist sich darüber im Klaren, dass man wegen des demografischen Wandels dicke Bretter bohren müsse. Mit Blick auf die Bewahrer fürchtet sie jedoch, dass Veränderungen nicht einfach vonstatten gehen werden.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding, die stellvertretende Landesvorsitzende der SPD 60 plus Marga Elser, SPD-Arbeitsministerin Katrin Altpeter, Moderatorin Monika Lauer, Dr. Walter Häcker und der Tübinger Finanzbürgermeister Michael Lucke (von links) diskutierten mit den Zuhörern über Schwierigkeiten und Chancen des demografischen Wandels. Foto: Holzwarth“

Soweit das Zitat von Sylvia Gierlichs aus der Nürtinger Zeitung.
In ihrer Verabschiedung der Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer dankte die stellvertretende Landesvorsitzende Marga Elser für die Diskussion und die vielen fachkundigen Anregungen – nicht ohne jedem ein kleines Geschenk zu überreichen. Ein rundum gelungener 60plusTag.