SPD 60 plus

Baden-Württemberg

TTIP

Beschluss des 60 plus-Bundesvorstands vom April 2014

Resolution zum geplanten Handels- und Investitionsabkommen EU-USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP))

Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages ist die Handelspolitik einerseits unter die ausschließliche Zuständigkeit der EU gefallen. Andererseits können EU-Handels­abkommen ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments (EP) nicht in Kraft treten.
Der Lissabon-Vertrag ist auch ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz in den Han­delsverhandlungen. Wir begrüßen deshalb sehr, dass die Fraktion der Sozialdemo­kra­ten im Europäischen Parlament durchgesetzt hat, dass es begleitend zu den TTIP-Verhandlungen einen regelmäßigen Dialog zwischen der Europäischen Kommission und Experten von Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherverbänden sowie Unter­nehmen geben soll. Es war wichtig, dass sowohl das Europäische Parlament, als auch die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament klare Eckpunkte für die Verhandlungen der Kommission formuliert haben.
Mit Blick auf die allseits geforderte Transparenz bedauern wir, dass bisher offizielle Verhandlungsdokumente in den Sprachen der EU kaum online verfügbar sind. Dies betrifft insbesondere die Positionen und Ziele der USA.
Auch wenn wir mit einem solchen Abkommen die Hoffnung verbinden, dass Han­dels­hemmnisse für europäische Produkte im amerikanischen Markt abgebaut wer­den, auch wenn wir mit den Sozialdemokraten im Europäischen Parlament die Chance sehen, Arbeitnehmerrechte in den USA zu stärken –  es gibt gleichwohl viele unkalkulierbare Risiken in dem Vorhaben.
Harmonisierung oder gegenseitige Anerkennung von Normen darf nicht dazu füh­ren, dass mühselig erarbeitete (Mindest-) Standards der EU aufgeweicht werden. Das gilt bei Sicherheitsanforderungen an Maschinen genauso wie im Lebensmittel- oder Verbraucherschutzbereich  - beispielsweise bei der Einfuhr von gentechnisch verän­derten Lebensmitteln oder hormonell behandeltem oder mit Chlorlauge gesäuber­tem Fleisch. Auch unterschiedliche Kulturen im Umgang mit Daten und Informatio­nen, der Speicherung von Massendaten etc. dürfen nicht zu einer Abwärtsspirale hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit oder sogar Individualrechten führen. Der NSA-Skandal hat in diesem Bereich das Vertrauen gegenüber einzelnen Han­dels­partnern gravierend gestört.
Die bisher fragmentarisch verfügbaren Informationen über die ersten vier Verhand­lungen des TTIP Abkommens nähren die Befürchtung, die kommunale Daseinsvor­sorge sei gefährdet oder könnte an Bedeutung verlieren.  Insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Veränderung in Deutschland und Europa, ins­besondere unter sensibler Beobachtung der Lebenssituation älterer Menschen, gewinnt öffentliche Daseinsvorsorge aber im Gegenteil an Bedeutung – das wird kaum deutlicher als bei den Anforderungen an eine gute Qualität von Dienst­leistungen bei der Pflege, der Gesundheit, der kulturellen und sozialen Teilhabe. Dabei basiert alles auf der hervorragenden Motivation des Personals, insbesondere auch des Pflegepersonals. Diese Motivation gilt es zu stärken und nicht durch internationale Ökonomisierung zu schwächen.
Auch das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit am gleichen Ort“ darf durch ein solches Abkommen nicht in Frage gestellt werden.
Besonders kritisch sehen wir die geplante Einführung des sogenannten Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus. Nach jetzigem Kenntnisstand würde dieses außergerichtliche Verfahren ausländischen Investoren ermöglichen, jenseits der bei uns üblichen rechtlichen Verfahren gegen souveräne Staaten vor internationalen Schiedsgerichten Forderungen durchzusetzen - z.B. Entschädigungen wegen ent­gangener Gewinne in Folge von gesetzlichen Regelungen auf den Feldern Gesund­heit, Umwelt oder Verbraucherschutz.  
Auch die Sozialpolitik wäre wohl nicht ausgenommen. So könnten z.B. die derzeitige deutsche Rentengesetzgebung oder der Mindestlohn zu solchen Verfahren führen. Diese Schiedsgerichte und ihre Besetzung – nicht durch Richter sondern Anwalts­firmen – sind höchst intransparent, es gäbe keine Möglichkeit der Revision, ebenso ist der umgekehrte Weg – Souveräner Staat gegen einen Investor – nicht möglich. Verliert ein Staat vor einem solchen Schiedsgericht, liegt die Last auf dem Steuer­zahler.
Das Europäische Parlament hat die Macht, solche Handelsabkommen zu stoppen. Dies hat es bei dem Anti-Counterfeiting Trade Agreement, kurz ACTA, (Anti-Pro­duktpiraterie-Handelsabkommen), dem sog. ACTA-Abkommen eindrucksvoll be­wiesen. Wir fordern deshalb alle EU-Parlamentarier auf, einem Abkommen, das die oben beschriebenen Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger in Deutsch­land und der EU erwarten lässt, nicht zuzustimmen.
Wir schließen uns der IG-Metall an und fordern ein transatlantisches Abkommen zwischen der EU und den USA mit höchsten Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards.