SPD 60 plus

Baden-Württemberg

60 plus-Landesvorstand im Gespräch mit Roland Sing

Veröffentlicht am 15.11.2012 in Veranstaltungen

Am 13.11.2012 war Roland Sing, Landesvorsitzender und stellv. Bundesvorsitzender des VdK und Vorsitzender des Landesseniorenrats, zu Gast beim Landesvorstand der SPD 60 plus in Stuttgart.

Beide Institutionen werden im Wahljahr 2013 das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip in Erinnerung rufen und in drei Blöcken thematisieren.

Ad 1: die Rentendiskussion. Dabei ist die Situation der derzeit Alten deutlich zu trennen von der drohenden Altersarmut in der Zukunft.
Für die derzeit Alten ist die Situation grundsätzlich gut, solange beide Ehepartner leben. Schwieriger ist die Situation für Witwer/n, geschiedene Frauen, die wegen der Kindererziehung nicht berufstätig waren. Letztere haben im Schnitt eine Rente zwischen 700 und 900 €.

Politische Forderungen, die sich laut Sing ergeben, sind:
• keine Einsetzung des Riesterfaktors für die Rente

• keine weiteren Kürzungsfaktoren

• Zur Information: Angesichts der demographischen Entwicklung -immer mehr Rentenempfänger stehen immer weniger Beitragszahlern gegenüber - wurden in die Rentenanpassungsformel drei Regeln eingebaut, die die Rentenerhöhungen vermindern. Neben dem Nachhaltigkeitsfaktor und dem Nachholfaktor bestimmt der Riester-Faktor die Minderung der Rentenerhöhungen. Der Riester-Faktor oder auch Riester-Treppe genannt, begründet sich daraus, dass die deutschen Bürger das sinkende Rentenniveau durch privates Sparen mit der Riesterrente ausgleichen können. "Da dies eine Belastung der Erwerbstätigen bedeutet, müssen auch die Rentner Einschnitte hinnehmen", heißt es dazu von der Bundesregierung. Jede Rentenerhöhung wird durch den Riester-Faktor daher um 0,6 Prozentpunkte reduziert (Absenkung auf 18,6 %)

• kein “Reha-Deckel” (Mit dem Referentenentwurf zum Gesetz zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung will die Bundesregierung der Entwicklung im Reha-Bereich Rechnung tragen. Der Entwurf sieht vor ab 2017 um etwa 100 Millionen Euro mehr auszugeben. Das ist zu spät und zu wenig! Nach Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung Bund fehlen bereits 2013 über 100 Millionen Euro! 2017 errechnet sich ein Fehlbetrag von mehr als 300 Millionen Euro.)

• Ältere Arbeitnehmer müssen in der Beschäftigung gehalten werden. Die Tarifpartner sollen altersgerechte Arbeitsbedingungen schaffen, denn Beschäftigung im Alter ist sinnstiftend.

• Um drohende Altersarmut in der Zukunft zu vermeiden, schlägt Sing vor: prekäre Beschäftigungsverhältnisse unter die Lupe nehmen, Mindestlohn einführen, Beitragssituation durch Steuermittel aufbessern, kein Absenken des Rentenniveaus auf 43 %, Abschaffung der Riesterrente, da diese die sozialen Sicherungssysteme schwächt, weil sie sozialversicherungs- und steuerfrei ist, wodurch weniger Geld in die Rentenkasse kommt; somit ist die Riesterrente nur „Vermögensbildung für Vermögendere“ (zum Konzept der Arbeitsministerin von der Leyen: für Geringverdienende nichtsnutzig, Bedingungen „lächerlich“ (45 Versicherungsjahre!), Ergebnis ein Witz (Erhöhung der Rente um 10 bis 15 €!)

Ad 2: Thema Gesundheit
• Nach dem 2009 eingeführten Gesundheitsfonds, der vom Bundesverwaltungsamt verwaltet wird, erhalten die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds nicht alle die gleiche Summe zugeteilt, sondern die Verteilung erfolgt über einen bestimmten Schlüssel. Dabei werden zum Beispiel das Alter, Geschlecht und der Gesundheitszustand der Versicherten berücksichtigt. So erhält jede Krankenkasse einen Einheitsbeitrag pro Versicherten und zusätzlich Aufschläge für Risiken, Alterstruktur und Zuweisungen für aufwändige Leistungsfälle (Risikostrukturausgleich, der nach Sing aber nur etwa 80 % der Leistungen abdeckt). Wenn die Krankenkassen nicht mit dem ihnen zugeteilten Geld auskommen, dann können sie einen Zusatzbeitrag erheben. Vorher müssen sie aber alle Wirtschaftlichkeitsreserven ausgeschöpft haben, also zum Beispiel durch Hausarztmodelle, Selbstbehalttarife und dergleichen. Manche Krankenkassen wollen ihren Versicherten auch Prämien auszahlen, falls sie Überschüsse erwirtschaftet haben. (Sing: die Rückzahlungen an Gesunde entziehen den Kassen Geld, so dass sie andererseits wieder Leistungen kürzen. “Im Gesundheitssystem wird zu wenig vom Patienten her gedacht!”)

• Zu den Versorgungsstrukturen: Wir brauchen dringend eine bessere Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und MVZ (medizinischen Versorgungszentren) nach dem Delegationsprinzip; Versorgungszentren müssen interdisziplinär und auf Bereitschaftsdienst ausgerichtet sein; sinnvoll eingesetzte “Telemedizin” könnte helfen, Patienten so lange wie möglich zu Hause zu versorgen

• Um in Discountern, auf Bahnhöfen etc. Toiletten einrichten zu können, muss die Landesbauordnung geändert werden; man muss also Druck auf die Abgeordneten im Landtag ausüben, damit hier endlich etwas geschieht

Ad 3: Pflege
• Zur wohnortnahen Beratung, Versorgung und Betreuung der Bevölkerung wurden in Baden-Württemberg Pflegestützpunkte in Rahmen der gesetzlichen Vorschriften des § 92c Sozialgesetzbuch (SGB) XI eingerichtet. Zu diesem Zwecke haben die Landesverbände der Pflegekassen und der Krankenkassen, der VDk sowie die Kommunalen Landesverbände eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen. Nachdem in Baden-Württemberg gewachsene Pflegestrukturen bereits vorhanden waren, wurden zur Vermeidung von Doppelstrukturen für die Errichtung von Pflegestützpunkten vorhandene bzw. in der kommunalen Sozialplanung vorgesehene kommunale Beratungs- und Betreuungsangebote vorrangig berücksichtigt. Alle, die Fragen im Zusammenhang mit Pflegebedürftigkeit haben, können sich an die Mitarbeiterinnen der Pflegestützpunkte wenden: junge Menschen, Eltern mit pflegebedürftigen Kindern, Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten, alte Menschen, Angehörige von Menschen mit einem Pflegebedarf und natürlich die pflegebedürftigen Menschen selbst. (Sing: diese Stützpunkte müssen zertifiziert sein!)

• Pflegestufe 0 wurde neu eingeführt (100 – 300 €), die Pflegestufe 1 und 2 bekommen 80 € mehr

• aber: kognitive Defizite sind nicht abgesichert; die Finanzierung ist auf die Zukunft gesehen nicht “wetterfest”

• um die pflegenden Angehörigen zu entlasten, könnte man Modelle einführen nach dem Vorbild des Marchtaler Stützpunktes, einer von Nonnen geführten Einrichtung, die einen Hotelbetrieb mit Pflegemöglichkeiten kombiniert

• für eine solidarischere Finanzierung muss die Beitragsbemessungsgrenze angehoben werden

2013 einheitlich 4.350,00 Euro/Monat (= 52.200 Euro/Jahr)
2012 einheitlich 4.237,50 Euro/Monat (= 50.850 Euro/Jahr)
2011 einheitlich 4.125,00 Euro/Monat (= 49.500 Euro/Jahr)

Angela Madaus