SPD 60 plus

Baden-Württemberg

Flüchtlings- und Integrationspolitik

Derzeit sind weltweit mindestens 62 Mio. Menschen auf der Flucht. Die Gründe dafür sind Kriege und Bürgerkriege, massive Menschenrechtsverletzungen durch totalitäre Regime, Umweltkatastrophen wie Dürre oder Überschwemmungen, die durch den Klimawandel begründet sind, und Armut, die ihre Ursache auch in einer verfehlten Handelspolitik der Industriestaaten hat.

Diese Fluchtbewegungen gibt es bereits seit Jahrzehnten, jedoch haben sie in den letzten Jahren zugenommen. Die Lieferung von Waffen durch Staaten des Westens und des ehemaligen Ostblocks in die Kriegsregionen hat das Problem weiter angeheizt, zumal der Endverbleib der z.B. an Nato-Mitglieder gelieferten Waffen oft nicht kontrolliert werden kann.  Mit dem sog. "arabischen Frühling" sind zudem die Despoten-Regime rund um Europa weggefallen, die zynischerweise Barrieren für Flüchtlinge - insbesondere aus dem afrikanischen Bereich - dargestellt haben. Dazu kommt, dass die internationale Gemeinschaft dem UNHCR seit Jahren die nötigen Gelder für eine vernünftige Versorgung der Flüchtlinge in Heimatnähe gekürzt bzw. verweigert hat. Dies führt z.B. dazu, dass die Flüchtlinge aus Syrien in den Flüchtlingslagern im Libanon nicht ausreichend mit Nahrung und Wasser versorgt werden können, - von einer Zukunftsplanung für junge Menschen in diesen Lagern ganz zu schweigen. Auch die Türkei hat den syrischen Flüchtlingen bisher keine Zukunftschancen geboten. In einer Reihe von afrikanischen Ländern herrscht ein schlimmer Bürgerkrieg und es verhungern die Menschen. In Afghanistan steigt der Einfluss der fundamentalistischen Taliban wieder, Bombenattentate auf Polizeistationen, liberale Presseorgane und Frauen- und Menschenrechtsinitiativen sind in weiten Landesteilen an der Tagesordnung.

Wir fordern die Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um gegen die Fluchtursachen anzukämpfen. Dazu gehört neben dem politischen und diplomatischen Einsatz aller Ressorts der Bundesregierung auch der Einsatz von erheblich mehr finanziellen Mitteln.

Willy Brandt hat als Gründer der Nord-Süd-Kommission der Sozialistischen Internationale bereits in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts darauf hingewiesen, dass es den Menschen auf der Nordhalbkugel der Erde nicht auf Dauer gut gehen kann, wenn die Menschen auf der Südhalbkugel hungern, unter Kriegen leiden und ausgebeutet werden. Und auch Erhard Eppler hat im Streit um die Asylrechtsänderung 1992 - für die er sich durchaus ausgesprochen hat - auf die Ungleichheit in der Welt und die dringend notwendige Beseitigung der Fluchtursachen hingewiesen. Auf beide - Brandt wie Eppler - hat insbesondere die konservative Politik der letzten Jahrzehnte nicht gehört.

Bereits seit Jahren begeben sich deshalb Flüchtlinge in die Hände von Schleppern und überqueren auf "Seelenverkäufern" und Schlauchbooten das Mittelmeer, um in Zentraleuropa - insbesondere in Deutschland - Zuflucht zu suchen. Die Situation in Süditalien (Lampedusa) und Griechenland war der Bundesregierung in der 17.LP bereits wohlbekannt, was aber leider nicht dazu geführt hat, dass man Solidarität mit Italien oder Griechenland gezeigt oder die Bekämpfung der Fluchtursachen in Angriff genommen hätte. Schengen wurde von den Staaten Mitteleuropas als Instrument gesehen, sich in Mitteleuropa die Flüchtlingsströme vom Leib zu halten. Die längst überfällige Evaluation des Schengen-Prinzips wurde nicht in Angriff genommen. Über die Gründe dafür kann man nur spekulieren. Insofern holt uns das Versäumnis von damals jetzt ein. Dies darf aber keine Entschuldigung sein für die unsolidarische Haltung vieler Europäischer Staaten bzgl. der Aufnahme von Flüchtlingen. Wir bedauern sehr, dass der Grundsatz der Humanität - eine tragende Säule der Europäischen Union -  bei einigen der europäischen Nachbarstaaten offensichtlich keine Bedeutung mehr hat und sind sicher, dass Zäune, Mauern und ein Nato-Einsatz mit deutschen Kriegsschiffen im griechisch-türkischen Bereich des Mittelmeers das Problem der Fluchtbewegungen nicht lösen werden.

An der Integration der vielen Flüchtlinge, die Deutschland im letzten Jahr erreicht haben, führt für die AG 60 plus kein Weg vorbei. Wir begrüßen deshalb den Beschluss des Parteivorstandes vom 17./18.1.2016 mit dem Titel "Für den Zusammenhalt der Gesellschaft: Ein Integrationsplan für Deutschland". Die SPD macht dadurch deutlich, dass ihre Herangehensweise an das Thema eine andere ist als die von CSU und AfD. Restriktive Regelungen beim Familiennachzug halten wir neben humanitären und christlichen Gründen auch aus integrationspolitischer Sicht nicht für zielführend.

Nur durch rasche Integration durch Sprachkurse und Arbeitsangebote, die allen Flüchtlingen zugutekommen müssen, kann der innere Frieden unserer Gesellschaft bewahrt werden. Dabei darf nie der Eindruck entstehen, dass andere Bürgerinnen und Bürger in schwieriger Lebenssituation und ihre Probleme insbesondere im Wohnungs- und Arbeitsmarktbereich darüber vergessen werden. Jeder Euro, der in solche Maßnahmen fließt, ist gut angelegtes Geld - zumal die derzeitigen hohen Haushaltsüberschüsse des Bundes Gegenargumente wie die "Schwarze Null" etc. ad absurdum führen. Integrationsarbeit wird vorwiegend in der Kommune geleistet. Je länger die Kommunen auf die finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern warten müssen, desto mehr ist der Erfolg dieser Arbeit in Frage gestellt. Deshalb sollte das Kooperationsverbot diesbezüglich auf evtl. Ausnahmen überprüft werden.

Hier können Sie den gesamten Wortlaut der Resolution nachlesen.

(Beschlossen auf der Sitzung des Bundesausschusses der AG 60 plus am 18./19.2.2016 - Angelika Graf, 60 plus-Bundesvorsitzende)